Nicht gendern, gendern – und falls ja: Grammatisch korrekt gendern? 8 Praxistipps

Grammatisch korrekt gendern: Motiv mit 9 bunten Luftballons

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Gendern Sie in Ihrem Unternehmen? Anders gefragt: Gibt es bei Ihnen eine festgelegte Corporate Language, die Ihnen Formulierungen wie „Interessent*innen“, „Kund_innen“, „Mitarbeiter:innen“, „Mitarbeitende“ oder „Mitarbeiter“ vorschreibt?

Dann geht’s nicht darum, ob Sie das Gendern ablehnen oder ob Sie es befürworten. Wenn es in Ihrer Firma eindeutige Richtlinien gibt, haben Sie keine Wahl: egal, ob Sie für Marketingtexte, Geschäftsberichte oder Informationsbriefe verantwortlich sind. Oder schlicht und einfach E-Mails schreiben.

Wenn Sie gendern müssen oder gendern wollen, um niemanden auszuschließen, gibt es einige Dinge, die Sie beachten sollten: um trotz Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt oder Binnen-I vorteilhaft zu formulieren – und um grammatisch korrekt zu gendern. Machen Sie das Beste aus gendergerechten Formulierungen. Und machen Sie es Ihren Leserinnen und Lesern leicht(er).

Grammatisch korrekt gendern: 8 Tipps

Es geht hier nicht um Grundsatzfragen à la „Gendern oder nicht“ – und auch nicht darum, welche unterschiedlichen Formen des Genderns möglich sind: Eine Zusammenfassung finden Sie auf der Website des Dudenverlags. Mir liegt an Tipps für grammatisch korrekte Formulierungen. Und für leichter zu lesende Texte:

1. Beim Gendern nichts vergessen (I): Zusammensetzungen oder Adjektive

Ihre Firma hat sich auf Gendersternchen, Doppelpunkte, Schräg- oder Unterstriche festgelegt? Dann vergessen Sie nichts: zum Beispiel Zusammensetzungen („Kundenservice“, „Teilnehmerfeedback“, „Expertenwissen“) oder Adjektive („kundenfreundlich“, „lesergerecht“). Solche Wörter gehören ebenfalls gegendert – oder durch neutrale Begriffe ersetzt. Denn so formulieren Sie einheitlich:

  • „kund*innenfreundlich“, „leser:innengerecht“,
  • „KundInnenservice“ und „Teilnehmer/-innenfeedback“,
  • „Expert_innenwissen“ oder „Fachwissen“ oder „Expertise“.

2. Beim Gendern nichts vergessen (II): Pronomen, Artikel, Adjektive

Wenn Ihnen an geschlechtergerechten Formulierungen liegt, Sie die Einzahl nutzen und grammatisch korrekt gendern wollen: Denken Sie daran, Pronomen, Artikel oder unterschiedlich zu beugende Adjektive mit Ihren jeweils verwendeten Sonderzeichen zu versehen:

  • „Für jede/-n neue/-n Auftraggeber/-in bieten wir ein kostenloses Erstgespräch an.“
  • „Ein:e Mitarbeiter:in kümmert sich um Ihr Anliegen.“
  • „Die*Der Kolleg*in ist sofort für Sie da.“
  • „Sie*Er hat am 27. Februar um 10 Uhr Zeit für ein Beratungsgespräch.“

3. Vorteilhaft gendern: Möglichst im Plural

Sie haben es gerade gemerkt: Wenn Sie im Singular schreiben, hängt ein ganzer Rattenschwanz an ebenfalls zu gendernden Begriffen dran. Nutzen Sie daher den Plural, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben. Dann müssen Sie allein Ihre Substantive in männlicher, weiblicher und/oder diverser Form angeben – und Ihre Formulierungen lassen sich sehr viel besser lesen:

  • „Für alle neuen Auftraggeber/-innen bieten wir kostenlose Erstgespräche an.“
  • „Unsere Mitarbeiter:innen kümmern sich um Ihre Anliegen.“
  • „Meine Kolleg*innen sind sofort für Sie da.“
  • „Wir haben am 27. Februar um 10 Uhr Zeit für ein Beratungsgespräch.“

Weiterer Vorteil: Im Plural bekommen Sie Personenbezeichnungen mit unterschiedlichen femininen und maskulinen Wortstämmen auch mit Genderstern und Co. hin. Wörter wie „Arzt“, „Anwalt“ oder „Koch“ und „Ärztin“, „Anwältin“ und „Köchin“ sind im Singular, nicht jedoch im Plural problematisch. Formulierungen wie „unsere Köch_innen“ sind sprachlich in Ordnung. Doch wenn Sie in der Einzahl formulieren, bleiben Ihnen im Sinne korrekter Grammatik nur Paarformen à la

  • „eine Besprechung mit Ihrer Anwältin oder Ihrem Anwalt“,
  • „Informieren Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt über mögliche Nebenwirkungen“.

4. Neutrale Pluralformen

Manche Pluralvarianten sind bereits neutrale Bezeichnungen: Begriffe wie „die Angestellten“, „die Beschäftigten“, „die Anwesenden“ oder „die Delegierten“. Hier zu „die Angestellt*innen“ oder „die Delegiert*innen“ zu greifen, ist absolut überflüssig. Es geht weniger um grammatisch korrektes Gendern, sondern um die Lesbarkeit. Mit „Angestellt*innen“ und „Delegiert*innen“

  • verkomplizieren Sie Ihre Formulierungen,
  • machen Sie es Ihren Leserinnen und Lesern unnötig schwer und
  • unterstützen Sie letztlich jene Argumente, die sämtlichen Formen des Genderns unverständliche und unleserliche Texte vorwerfen.

5. Neutrale Begriffe

Es gibt neutrale Begriffe, die maskulin, feminin oder eben neutral sein können. Dazu gehören Substantive wie „der Mensch“, „der Gast“ und „der Fan“, „die Person“ oder „das Gegenüber“. Solche Wörter beschreiben Frauen und Männer und diverse Personen gleichermaßen.

Aber nur bei maskulinen Substantiven haben sich Varianten wie „die Menschin“ oder „die Gästin“ eingebürgert. Neutrale Formulierungen erscheinen allein in maskulinen Formen als No-Gos. Machen Sie in solchen Fällen einfach mal die Gegenprobe:

  • Würden Sie zu Formen wie „die Person*in“ oder „GegenüberInnen“ greifen?
  • Oder zu „Hilfskräft/in“, „Opfer_in“ oder „Brautleut:innen“?

Vermutlich nicht. Gendern Sie daher nur dann, wenn es tatsächlich um männliche, weibliche oder diverse Personenbezeichnungen geht: um

  • Kundinnen und Auftraggeber,
  • Leserinnen und Interessenten,
  • Besucherinnen oder Käufer.

6. Der Umgang mit dem Wörtchen „man“

Grammatisch korrekt gendern: Das heißt auch, dass sich die Geister am Pronomen „man“ scheiden. Dieses Pronomen stammt von „Mann“ ab. Aufgrund dieser Nähe wird einerseits mit „mensch“ gegendert – oder die Variante „frau“ benutzt, wenn es allein um Frauen geht. Andererseits gilt „man“ als ebenso neutral wie „Mensch“ oder „Person“: als „irgendeiner, jeder beliebige (Mensch)“, wie der Duden schreibt.

Ob Sie „man“ als neutral oder als männlich verstehen (und daher zu „mensch“ oder auch „man*“ greifen), liegt bei Ihnen. Allerdings sind Sätze mit „man“ kein guter Stil. Wenn Ihnen dieses Pronomen in Ihre Texte rutscht:

  • Fragen Sie sich, wen Sie mit „man“ eigentlich meinen – und werden Sie konkret: „Unsere Azubis freuen sich auf die Einführungswoche“ statt „Man freut sich auf die Einführungswoche“.
  • Oder greifen Sie zu alternativen Formulierungen: „Wer möchte, kann sich beteiligen“ statt „Man kann sich beteiligen“.

7. Grammatische Unschärfen …?

Sie haben es vielleicht schon bemerkt: Gewisse gegenderte Schreibweisen sind grammatisch nicht ganz korrekt: Formen wie

  • „kund*innenfreundlich“,
  • „alle Kolleg:innen“ oder
  • „bei unseren Mitarbeiter/-innen“.

Grammatisch korrekt gendern würde heißen, so zu schreiben:

  • „kunden- und kundinnenfreundlich“ – und demnach „kund*en*innenfreundlich“,
  • „alle Kollegen und Kolleginnen“ – also „alle Kolleg:en:innen“ und
  • „bei unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“ – also „bei unseren Mitarbeiter/-n/-innen“.

Allerdings sieht man über solche Unschärfen hinweg. Um gegenderte Begriffe zu vereinfachen, betrachtet man Doppelformen als Gesamtwörter* – und schreibt einfach nur „kund*innenfreundlich“, „Kolleg:innen“ oder „unseren Mitarbeiter/-innen“.

* Nachzulesen in Gabriele Diewald/Anja Steinhauer: „Duden: Handbuch geschlechtergerechte Sprache“, Berlin 2020, S. 142.

8. Menschen, Organisationen, Institutionen

Geht es um Menschen, ist die Sache klar. Berufe, Positionen oder Titel sollten immer mit dem Namen und dem zugehörigen Geschlecht übereinstimmen: beispielsweise

  • „Anja Wagner, Deutschlehrerin“,
  • „Johann Saathoff, Parlamentarischer Staatssekretär“ oder
  • „Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB)“.

Doch wie sieht es bei Sachbezeichnungen aus? Muss es heißen

  • „die Stadt Berlin als Auftraggeberin …“ – oder „die Gewerkschaft IG Metall als Vertreter der Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie“?
  • „Unsere Firma ist Initiatorin von …“ oder „Unsere GmbH ist Auftraggeber für …“?

Hier gibt es keine eindeutige Regel, wie Sie grammatisch korrekt gendern. Sie können sowohl die weibliche als auch die männliche Variante verwenden: Entscheiden Sie hier nach Ihrem Sprachgefühl und/oder dem Kontext Ihrer Formulierungen.

Extratipp zum Schluss

Sie gendern mit Sonderzeichen und Bezeichnungen wie „Kund*innen“ oder „Nutzer_innen“ stehen gerade am Zeilenumbruch? Und Sie müssten „Kund*-innen“ oder „Nutzer-_innen“ schreiben? Meine Empfehlung: Vermeiden Sie die Silbentrennung, um solche Wörter nicht auf zwei Zeilen zu verteilen. Stellen Sie Ihre Formulierungen um oder ergänzen Sie ein, zwei Wörter, um Ihren Satz zu verlängern.

Statt „Wir empfehlen unseren Kund*innen für ein optimales Ergebnis …“ könnten Sie einfach „Wir empfehlen Ihnen …“ schreiben. Oder „Für ein optimales Ergebnis empfehlen wir unseren Kund*innen …“ – oder vielleicht „Wir empfehlen, dass sich die Nutzer_innen …“. Nicht zuletzt können Sie gegenderte Wörter manuell an einer anderen Stelle trennen: statt „Nutzer-_innen“ beispielsweise „Nut-zer_innen“.

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1 Kommentar

  1. Denise Kieshauer

    Hallo Sandra,

    Danke für die praktischen Tipps. In der Berufswelt ist es manchmal gar nicht so leicht, richtig zu gendern. Ich denke, am Anfang sollte man definieren, welche Form es werden soll. Ich finde das Gendern mit Doppelpunkt ganz angenehm. Die Wortrennung beim Umbruch stellt für mich allerdings hin und wieder eine kleine kreative Gedankenübung dar, denn manchmal ist es mit 1-2 zusätzlichen Adjektiven nicht getan, da muss der ganze Satz umgestrickt werden. Aber am Ende feiere ich dann den Erfolg, wenn es passend wird. 🙂

    Liebe Grüße
    Denise

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